Zuparken eines mobilen „Blitzers" -- ein strafloses Vergnügen?!

BGH, Beschluss vom 15.05.2013 -- 1 StR 469/1212

von Life and Law am 01.12.2013

+++ Störung öffentlicher Betriebe, § 316b StGB +++ Nötigung, § 240 StGB +++ Gewaltbegriff +++ Divergenzvorlage, § 121 II GVG +++

Sachverhalt (vereinfacht): Der zuständige Messbeamte der Stadt S führt am Morgen des 01. Juni 2013 innerorts Geschwindigkeitsmessungen durch. Hierzu verwendet er eine mobile Messanlage, welche die Geschwindigkeit der vorüberfahrenden Fahrzeuge mittels eines Laserstrahls erfasst. Den Sensor des Blitzgeräts baut er unmittelbar an der Straße auf. Die gemessenen Daten werden an das am Straßenrand geparkte Messfahrzeug weitergeleitet und dort samt den Ablichtungen der zu schnell fahrenden Fahrzeuge gespeichert.

An dieser Stelle wird der Autofahrer A mit überhöhter Geschwindigkeit „geblitzt". Aus Verärgerung über die bemerkte Geschwindigkeitsmessung stellt A das von ihm gesteuerte Auto anschließend direkt vor dem Sensor der Messanlage ab, sodass die Aussendung des Laserstrahls auf die Straße unterbunden wird. A geht es hierbei nur darum, dass keine weiteren Geschwindigkeitsmessungen mehr durchgeführt werden können. Als der Messbeamte A auffordert, das Auto wegzufahren, entgegnet dieser, dass er jederzeit auch vor einer Messeinrichtung parken könne, da dort kein Parkverbot herrsche. Daraufhin droht der Messbeamte an, das Auto mit Genehmigung seines Dienstvorgesetzten abschleppen zu lassen. Infolgedessen entfernt sich A zu Fuß von der Messstelle und kehrt mit einem Traktor samt Zweiachsanhänger zurück. Er stellt sein Auto weg und parkt stattdessen den Traktor an dieser Stelle. Zudem senkt er den Frontlader des Traktors ab. Auch hierbei geht es A allein darum, weitere Geschwindigkeitsmessungen zu verhindern. Aufgrund des herabgelassenen Frontladers gelingt es dem herbeigerufenen Abschleppunternehmer nicht, den Traktor abzuschleppen. Erst nachdem Polizeibeamten hinzukommen, folgt A der Anweisung des Messbeamten und fährt den Traktor weg. Während des gesamten Geschehens konnte die Messstelle ca. eine Stunde lang nicht betrieben werden, was A auch so beabsichtigt hat.

Hat sich A nach dem StGB strafbar gemacht?

A) Sounds

1. Das Merkmal des Unbrauchbarmachens einer dem Betrieb dienenden Sache gemäß § 316b I Nr. 3 StGB erfordert eine Einwirkung auf die Sachsubstanz. Bei dem bloßen Zuparken einer Geschwindigkeitsmessanlage liegt somit keine taugliche Tathandlung vor.

2. Möchte der Strafsenat eines OLG in einem Verfahren von der Entscheidung des BGH oder eines anderen OLG abweichen, muss er die Sache gem. § 121 II GVG zunächst dem BGH vorlegen (sog. Divergenzvorlage). Der BGH entscheidet jedoch nur, wenn die Frage für das Ergebnis des konkreten Strafverfahrens tatsächlich entscheidungserheblich ist.

B) Problemaufriss

Vermutlich wird nahezu jeder Autofahrer das Ärgernis kennen, einmal aus Unachtsamkeit zu schnell gefahren und geblitzt worden zu sein. Bei so manchem Verkehrsteilnehmer ruft das Erblicken des Blitzlichts allerdings auch weitere Reaktionen hervor: Die Sensoren der Messanlagen werden verschmiert und beklebt oder die Starenkästen gar komplett abgesägt.

Die dem Fall zugrunde liegende Entscheidung bietet Anlass, sich mit einer neuen Variante dieser Art der „Rache" rechtlich auseinanderzusetzen. Es stellt sich die Frage, ob das bewusste Zuparken einer Messanlage zur Unterbindung weiterer Messungen strafbar ist, insbesondere ob eine Störung öffentlicher Betriebe gem. § 316b StGB verwirklicht ist. Hierbei handelt es sich um eine Norm, die in Klausuren zwar selten in Erscheinung tritt, gleichwohl zum Pflichtstoff des bayerischen Staatsexamens zählt.

C) Lösung

Fraglich ist, ob sich der Autofahrer A durch sein Verhalten am Morgen des 01. Juni 2013 strafbar gemacht hat.

I. § 113 I Alt. 1 StGB

A könnte sich wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte gem. § 113 I Alt. 1 StGB strafbar gemacht haben, indem er zur Verhinderung weiterer Geschwindigkeitsmessungen sein Auto bzw. seinen Traktor vor dem Sensor der Messanlage abstellte. Hierzu müsste A einem zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen oder Verfügungen berufenen Amtsträger bei der Vornahme einer solchen Diensthandlung mit Gewalt Widerstand geleistet haben.

Der objektive Tatbestand der Norm verlangt zunächst, dass sich die Tat gegen einen inländischen Amtsträger richtet, der zur Vollstreckung u.a. von Gesetzen und Verordnungen berufen ist. Der Messbeamte der Stadt S ist Beamter und somit Amtsträger i.S.d. § 11 I Nr. 2 lit. a StGB. Er war für die Kontrolle der Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von Fahrzeugen zuständig.1 Demnach kommt der Messbeamte der Stadt S grundsätzlich als ein taugliches Tatopfer in Betracht.

Hinsichtlich der Tatsituation setzt § 113 I StGB jedoch zudem voraus, dass sich der Amtsträger zum Zeitpunkt der Tat bei der Vornahme einer solchen Vollstreckungshandlung befindet. Hierfür erforderlich ist eine Maßnahme zur Verwirklichung des bereits konkretisierten staatlichen Willens gegenüber bestimmten Personen oder Sachen in einem konkreten Einzelfall.2 Die Tätigkeit des Amtsträgers muss erkennbar darauf abzielen, den staatlichen Willen notfalls mit Mitteln des hoheitlichen Zwangs gegenüber bestimmten Personen durchzusetzen.3

Im vorliegenden Fall misst der Beamte zu dem Zeitpunkt, als A sein Auto vor dem Sensor parkt, generell die Geschwindigkeiten aller Fahrzeuge, welche die Messanlage passieren. Dies stellt eine allgemeine verkehrsüberwachende Tätigkeit dar. Da alle vorbeifahrenden Fahrzeuge kontrolliert werden, ist die Diensthandlung erkennbar nicht darauf gerichtet, einen hoheitlichen Willen gegenüber bestimmten Personen durchzusetzen. Vielmehr dient die Kontrolle erst dazu, etwaige, bisher noch unbestimmte Verstöße gegen die vorgeschriebene Geschwindigkeitshöchstgrenze festzustellen und im weiteren Verlauf ahnden zu können. Hierbei ist zu betonen, dass A auch nicht vom Messbeamten dazu aufgefordert wurde, anzuhalten. Dies tat A selbstständig anlässlich der Verärgerung über die von ihm bemerkte Messung. Im Ergebnis stellt die allgemeine Geschwindigkeitskontrolle keine konkrete Vollstreckungsmaßnahme des Messbeamten dar.4 Folglich lag keine taugliche Tatsituation für einen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vor. A hat den Tatbestand des § 113 I Alt. 1 StGB nicht verwirklicht.

hemmer-Methode: Führen Sie sich den vergleichbaren Fall der allgemeinen Streifenfahrt vor Augen. Auch bei diesem „Klassiker" erfüllen die Polizisten bloß ihre Dienstpflichten. Ihr Tätigwerden ist nicht gegen bestimmte Personen gerichtet. Dies ist bei der allgemeinen Streifenfahrt wie auch bei der allgemeinen Verkehrskontrolle entscheidend. Etwas anderes gilt jedoch, wenn die Polizeibeamten im Rahmen allgemeiner Verkehrskontrollen gegenüber bestimmten Personen konkretisierte Anhalte-Weisungen nach § 36 StVO aussprechen und somit eine Weiterfahrt verhindern.5 In dieser Situation kann § 113 I StGB gegenüber den Polizeibeamten verwirklicht werden.

II. § 240 I Alt. 1 StGB

Fraglich ist, ob sich A wegen Nötigung des Messbeamten gem. § 240 I Alt. 1 StGB strafbar gemacht hat, indem A sein Auto bzw. seinen Traktor vor dem Sensor parkte, um weitere Kontrollen des Messbeamten zu unterbinden. Dies setzt im objektiven Tatbestand voraus, dass A einen Menschen mit Gewalt zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung genötigt hat.

Der Nötigungserfolg ist eingetreten. Der Messbeamte unterließ es für ca. eine Stunde, weitere Geschwindigkeitsmessungen vorzunehmen. Diesen Taterfolg müsste A durch den Einsatz von Gewalt als Nötigungsmittel herbeigeführt haben. Gewalt ist der zumindest auch physisch vermittelte Zwang zur Überwindung eines geleisteten oder erwarteten Widerstandes.6 Allerdings kann eine strafbare Nötigung durch Gewalt nur dann vorliegen, wenn der Einfluss auf das Opfer bei nur geringem körperlichem Aufwand dergestalt physischer Art ist, dass die beabsichtigte Handlung durch tatsächlich nicht überwindbare Hindernisse unterbunden wird.7 Maßgebend ist somit, dass die körperliche Kraftentfaltung des Täters eine unmittelbare körperliche Zwangswirkung auf das Opfer verursacht.8

Im vorliegenden Fall stellt das Abstellen des Autos und danach des Traktors vor der Messanlage zwar eine körperliche Kraftentfaltung in Form von vis absoluta dar. Allerdings bewirkte dies keine körperliche Zwangswirkung gegen den Messbeamten. Durch das Parken vor dem Sensor konnte der ausgehende Laserstrahl den zu überwachenden Straßenabschnitt nicht mehr erreichen. Unmittelbar liegt damit nur eine Einwirkung des A auf die mobile Messanlage vor. Der Messbeamte hingegen hätte das Messgerät ohne weiteres auch weiterhin bedienen können. Freilich hätte der Laserstrahl ausschließlich das stehende Auto des A erfasst, sodass weitere Messvorgänge an dieser Stelle sinnlos gewesen wären. Dies erkannte auch der Messbeamte und stellte daraufhin seine Arbeit dort ein. Allerdings stellt sich dies als bloße mittelbare Zwangswirkung des A auf den Messbeamten dar. Der Willensentschluss des Messbeamten, die Bedienung der Anlage vorerst einzustellen, resultierte allein aus einem psychischen Zwang. Eine unmittelbare körperliche Zwangswirkung auf das Opfer, wie sie der Gewaltbegriff des § 240 I Alt. 1 StGB verlangt, war nicht gegeben. Im Ergebnis liegt damit kein taugliches Nötigungsmittel vor. Folglich hat sich A nicht wegen Nötigung des Messbeamten strafbar gemacht.

Anmerkung: Der zuvor geprüfte Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte setzt ebenfalls den Einsatz von Gewalt voraus, vgl. § 113 I StGB. Die Gewaltbegriffe stimmen im Ausgangspunkt überein, sodass Sie eine Strafbarkeit des A nach § 113 I Alt. 1 StGB auch mangels eines Widerstandleistens mit Gewalt hätten verneinen können. Wichtig zu erkennen ist, dass § 113 StGB grundsätzlich lex specialis zur Nötigung ist und somit vor dieser geprüft werden muss.9

III. § 316b I Nr. 3 StGB

A könnte sich jedoch wegen der Störung öffentlicher Betriebe gem. § 316b I Nr. 3 StGB strafbar gemacht haben, indem er seine Fahrzeuge so abstellte, dass der Laserstrahl der Messanlage abgefangen wurde.

Schema: Störung öffentlicher Betriebe, § 316b StGB

I. Tatbestand

1. Objektiver Tatbestand

a) Taugliches Tatobjekt: Nr. 1 -- 3

b) Taterfolg: den Betrieb verhindern oder stören

c) Tathandlung: Zerstören, Beschädigen, Beseitigen, Verändern oder Unbrauchbarmachen einer dem Betrieb dienenden Sache oder die für den Betrieb bestimmte elektrische Kraft Entziehen

2. Subjektiver Tatbestand

Vorsatz bezügl. obj. Tatbestand

3. Rechtswidrigkeit

4. Schuld

5. Strafzumessung, § 316b III StGB

Der objektive Tatbestand des § 316b I Nr. 3 Var. 5 StGB setzt voraus, dass der Täter den Betrieb einer der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit dienenden Einrichtung oder Anlage dadurch verhindert oder stört, dass er eine dem Betrieb dienende Sache jedenfalls unbrauchbar macht.

1. Schutzgegenstand: Anlage

Zunächst stellt sich die Frage, ob die mobile Messanlage der Stadt S eine der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit dienende Einrichtung oder Anlage i.S.d. § 316b I Nr. 3 StGB darstellt.

Wann eine solche Anlage vorliegt, bestimmt das Gesetz selbst nicht weiter. Dem Wortsinn nach setzt eine Anlage zumindest eine Konstruktion aus technischen Materialien voraus.10 Dies trifft auf die mobile Messanlage, die aus dem Lasersensor, dem Blitzgerät und der Speichertechnik im Messfahrzeug besteht, zu.

Dennoch sehen Teile der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur Geschwindigkeitsmessanlagen nicht als Anlagen i.S.d. § 316b I Nr. 3 StGB an.11 Ausgangspunkt dieser Ansicht ist die Annahme, dass die Messanlage nur ein sachliches Hilfsmittel der Bußgeldbehörde darstelle. Erst die Behörde nehme die Funktion wahr, die belichteten Filme auszuwerten und fotografisch dokumentierte Verkehrsverstöße zu ahnden. Das Messgerät sei lediglich als unselbstständiges Glied in einer Kette betrieblicher Vorgänge integriert. Es erfülle damit keine eigenständige Funktion als Anlage, sondern stelle nur eine dem Betrieb der Bußgeldbehörde dienende Sache dar. Diese differenzierende Ansicht sei nach dem Wortlaut des Gesetzes geboten: Die Norm unterscheide zwischen dem öffentlichen Betrieb, der gestört werde, und der Ursache der Störung, nämlich der Beschädigung einer dem Betrieb dienenden Sache. Daraus folge, dass in den Fällen, in denen die beschädigte bzw. unbrauchbar gemachte Sache ein in den öffentlichen Betrieb integriertes Hilfsmittel darstelle, dessen sich der Betrieb nur zur Erfüllung seiner Aufgabe bediene, auf die Bußgeldbehörde als übergeordnete Organisationseinheit abzustellen sei. Kurzum sei nicht die Geschwindigkeitsmessanlage, sondern allenfalls die Behörde als Einrichtung oder Anlage i.S.d. § 316 I Nr. 3 StGB anzusehen.

Dieser Ansicht tritt das OLG Karlsruhe nunmehr entgegen. Der Wortlaut der Norm stütze eine solche Differenzierung nicht.12 Der „öffentliche Betrieb" werde im Tatbestand des § 316b I Nr. 3 StGB gar nicht erwähnt, sondern tauche lediglich in der amtlichen Überschrift des Straftatbestandes auf. Es sei aber unzulässig, dem öffentlichen Betrieb als generell übergeordneter Einheit mithilfe der amtlichen Überschrift Eingang in den Tatbestand zu verschaffen. Vielmehr folge aus dem Wortlaut der Norm des § 316b I Nr. 3 StGB, dass der Betrieb einer Einrichtung und der Betrieb einer Anlage gleichrangige Schutzgegenstände darstellten.13 Solche Anlagen würden grundsätzlich von einer anderen Organisationseinheit betrieben. Würde man also -- wie vom OLG Stuttgart vertreten -- die hinter der Anlage stehende Organisationseinheit als vorrangig ansehen, wäre die Anlage als selbstständiges Schutzobjekt überflüssig und hätte vom Gesetzgeber nicht in den Tatbestand aufgenommen werden müssen. Dem Zweck der Norm entsprechend sollen jedoch die Anlagen an sich in ihrem Betrieb gegen Sabotageakte geschützt werden.14 Folglich müsse eine Geschwindigkeitsmessanlage als taugliches Schutzobjekt des § 316b I Nr. 3 StGB gelten.15

Das OLG Stuttgart hingegen hält mobile Geschwindigkeitsmessanlagen aus einem weiteren Grund nicht für Anlagen i.S.d. § 316b I Nr. 3 StGB. Diese seien nämlich nicht dazu bestimmt, der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu dienen. Dieses Merkmal grenze den Schutz der Norm auf solche Einrichtungen und Anlagen ein, deren Hauptzweck die unmittelbare präventive Abwehr von Gefahren für bedeutende Rechtsgüter der Allgemeinheit oder des Einzelnen sei. Mobile Messanlagen hingegen seien in erster Linie darauf ausgerichtet, Verkehrsordnungswidrigkeiten zu ermitteln und repressiv zu ahnden. Im Unterschied zu stationären Blitzanlagen, die dauerhaft und mithin gut sichtbar errichtet würden, erfüllten die teilweise versteckten mobilen Messanlagen nicht den präventiven Zweck, die Verkehrsteilnehmer an einer bestimmten Stelle generell zu einem verkehrsgerechten Verhalten anzuhalten. Demnach stelle eine mobile Messanlage in mehrfacher Hinsicht kein vom Schutz des § 316b I Nr. 3 StGB erfasstes Tatobjekt dar.

Das OLG Karlsruhe hält dem wiederum entgegen, dass jegliche Geschwindigkeitsmessungen nicht allein aus repressiven, sondern auch aus präventiven Gründen erfolgten. Sie hätten nicht nur das Ziel, Verkehrsverstöße zu ahnden, sondern dienten auch dazu, die Verkehrsteilnehmer zur Einhaltung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit im Allgemeinen anzuhalten. Dadurch würden Unfälle und andere Straßenverkehrsgefährdungen verhindert. Um eine klare Abgrenzung zu dem Begriff der Einrichtung zu gewährleisten, sei der Anlagenbegriff des § 316b I Nr. 3 StGB als vornehmlich aus sächlichen Mitteln bestehende Funktionseinheit zur planmäßigen Erreichung eines auf eine gewisse Dauer berechneten Erfolgs zu definieren.16 Da eine mobile Messanlage diese Voraussetzungen erfülle, müsse sie auch als Anlage und damit als Schutzobjekt des § 316b I Nr. 3 StGB gelten.

Der Streit könnte an dieser Stelle dahinstehen, wenn es ohnehin an einer tauglichen Tathandlung seitens des A fehlt.

Anmerkung: Ausgangspunkt der dem Fall zugrunde liegenden Entscheidung ist ersichtlich eine Meinungsverschiedenheit zweier Oberlandesgerichte über die Auslegung des Begriffs der Anlage. Während zunächst das OLG Stuttgart mobile Geschwindigkeitsanlagen nicht als taugliche Tatobjekte des § 316b I Nr. 3 StGB ansah, wollte das OLG Karlsruhe Schutz über diese Norm gewähren. Allerdings darf der Strafsenat eines OLG nicht ohne weiteres von der Rechtsprechung eines anderen OLG oder des BGH abweichen. In dieser Situation besteht vielmehr gem. § 121 II GVG eine Vorlagepflicht zum BGH, der -- dem Grundgedanken nach -- endgültig Klarheit schaffen soll.

Das Ziel ist die Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der Revisionsgerichte. Im konkreten Fall nahm der BGH den Ball jedoch nicht an: Die Frage, ob eine Geschwindigkeitsmessanlage eine eigenständige Anlage i.S.d. § 316 I Nr. 3 StGB ist, sei zu unbestimmt und ohnehin nicht entscheidungserheblich. Letzteres wird gleich deutlich werden.

2. Tathandlung: Unbrauchbarmachen

Es gilt zu prüfen, ob A den Betrieb der Geschwindigkeitsmessanlage verhindert oder gestört hat, indem er eine dem Betrieb dienende Sache zerstört, beschädigt, beseitigt, verändert oder unbrauchbar gemacht hat oder ihr die für den Betrieb bestimmte elektrische Kraft entzogen hat. Im vorliegenden Fall kommt das Merkmal des Unbrauchbarmachens in Betracht.

a) OLG Karlsruhe: Unterbrechen des Laserstrahls ausreichend

Ein Unbrauchbarmachen ist gegeben, wenn die Funktionsfähigkeit der dem Betrieb dienenden Sache aufgehoben wird.17 Wann eine Anlage funktionsfähig ist, hängt von ihrem Zweck und ihrer Funktionsweise im konkreten Einzelfall ab. Die Geschwindigkeitsmessanlage der Stadt A wird am Straßenrand aufgebaut. Von dort aus sendet sie einen Laserstrahl in Richtung der Straße aus. Dieser wird von den vorüberfahrenden Fahrzeugen reflektiert und durch den Sensor wieder aufgefangen. Hierdurch wird die Geschwindigkeit des sich auf der Straße bewegenden Verkehrs umfassend kontrolliert.

Vereinzelt wird vertreten, dass bereits das Parken eines Autos bzw. eines Traktors unmittelbar vor dem Sensor ein Unbrauchbarmachen der Messanlage darstelle.18 Durch das platzierte Abstellen des Fahrzeugs unterbreche der Fahrzeugführer den auf die Straße gerichteten Laserstrahl und wirke damit auf die Anlage selbst ein. Auf diese Weise verhindere er, dass der Laserstrahl den Verkehr erfasst, wodurch die Messanlage für die Dauer der Störung nicht mehr ordnungsgemäß zur Erfassung der Geschwindigkeit des vorbeifahrenden Verkehrs verwendet werden konnte.

Dieser Ansicht folgend hätte A durch das Parken vor dem Sensor die Funktionsfähigkeit der Geschwindigkeitsmessanlage aufgehoben und damit die Anlage für ca. eine Stunde unbrauchbar gemacht. In diesem Fall wäre eine taugliche Tathandlung zu bejahen, sodass es entscheidend darauf ankäme, ob die mobile Messanlage als Anlage i.S.d. § 316b I Nr. 3 StGB anzusehen ist (s.o.).

b) BGH: Einwirkung auf die Sachsubstanz erforderlich

Die ganz herrschende Meinung legt den Begriff des Unbrauchbarmachens allerdings restriktiv aus und verlangt eine Einwirkung auf die Substanz der Sache.19 Zur Begründung wird ein systematischer Vergleich mit den übrigen im Tatbestand des § 316b I StGB genannten Tathandlungen angestellt: dem Zerstören, Beschädigen, Beseitigen und Verändern wohne jeweils das Element der Sachsubstanzeinwirkung inne. Ein tatbestandsmäßiges Verhalten in Form des Unbrauchbarmachens setze demnach notwendigerweise ebenfalls eine solche Art der Einwirkung voraus.

Im vorliegenden Fall hat A zwar die beabsichtigte Geschwindigkeitsmessung verhindert, indem er mit seinen jeweils in Richtung des Laserstrahls geparkten Fahrzeugen die Aussendung des Laserstrahls auf die Straße unterbunden hat. Allerdings wirkte A hierzu nicht äußerlich z.B. durch Beschmieren oder Bekleben des Sensors auf die Substanz der Sache ein. Er kam mit der Messanlage überhaupt nicht in Berührung. Die tatsächlich eingetretene Funktionsminderung ist somit nicht auf eine Manipulation an dem Messgerät selbst oder an einem wesentlichen Teil davon zurückzuführen. Dies wird durch den Umstand verdeutlicht, dass bereits ein leichtes Versetzen des Sensors weitere Geschwindigkeitsmessungen möglich gemacht hätte. Es fehlt damit an einer Einwirkung des A auf die Sachsubstanz der Messanlage. Insofern ist das Verhalten des A mit dem einer Person vergleichbar, die den Telefonanschluss einer anderen Person blockiert, indem sie diesen anwählt und nicht auflegt. Auch hier wird zwar die Funktionsfähigkeit des Geräts vorübergehend aufgehoben. Dennoch liegt mangels Substanzbeeinträchtigung kein Unbrauchbarmachen i.S.d. Norm vor.20

Folgt man dieser Ansicht, so hat sich A im Ergebnis mangels tatbestandsmäßigen Verhaltens nicht nach § 316b I Nr. 3 StGB strafbar gemacht. Demnach bedarf es in dem oben dargestellten Meinungsstreit keiner Entscheidung.

c) Stellungnahme

Letztere Ansicht überzeugt, da nur sie der zweiaktigen Struktur der Norm gerecht wird. Bereits die aufmerksame Lektüre des § 316b I Nr. 3 StGB verdeutlicht, dass es hinsichtlich der Tathandlung eben nicht ausreicht, den Betrieb einer der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dienenden Anlage zu verhindern bzw. zu stören. Vielmehr verlangt die Norm, dass die Störung oder Verhinderung ihre Ursache („dadurch") darin hat, dass eine dem Betrieb dienende Sache zerstört, beschädigt, beseitigt oder auch unbrauchbar gemacht wird. Dieses Merkmal hätte allerdings gegenüber der Störung des Betriebs der Anlage keine eigenständige Bedeutung, wenn hinsichtlich der Variante des Unbrauchbarmachens auf eine Sachsubstanzeinwirkung verzichtet würde. Im Ergebnis spricht sowohl der systematische Vergleich mit den übrigen Tathandlungsvarianten des § 316b I Nr. 3 StGB als auch die Struktur der Norm für eine restriktive Auslegung des Begriffs des Unbrauchbarmachens. Folglich fehlt es im vorliegenden Fall an einer tauglichen Tathandlung. A hat sich damit nicht wegen der Störung öffentlicher Betriebe strafbar gemacht.

IV. Ergebnis

A hat sich nicht strafbar gemacht.

Anmerkung: Trotz der aufgezeigten Parallelen in den Fällen mit Blitzanlagen gilt es natürlich -- wie bei allen anderen Fällen auch -- den Sachverhalt im Einzelfall genau auszuwerten und auf seine jeweiligen Besonderheiten zu achten: Hätte A statt vor der Messanlage zu parken den Sensor mit Senf beschmiert, um weitere Messungen zu unterbinden,21 so wäre eine Einwirkung auf die Sachsubstanz und damit auch ein Unbrauchbarmachen i.S.d. § 316b I Nr. 3 StGB zu bejahen. Dann müssten Sie tatsächlich „Farbe bekennen" und sich abschließend dazu äußern, ob die mobile Geschwindigkeitsmessanlage eine Anlage i.S.d. Vorschrift ist.

D) Kommentar

(bb). Die dem Sachverhalt zugrunde liegende Entscheidung des BGH überzeugt. Gerade im Problemkomplex der Blitzanlagen erspart Ihnen vernetztes Denken überflüssiges Auswendiglernen. Eine ähnliche Auslegungsfrage stellt sich Ihnen in dem Fall, in dem ein Fahrzeugführer mehrere Reflektoren an der Hinterseite seines Innenspiegels anbringt, um in Zukunft nicht mehr geblitzt werden zu können.22 Eine Strafbarkeit nach § 268 I Nr. 1 Alt. 1 StGB i.V.m. § 268 III StGB kommt in Betracht. Sie setzt als Tathandlung eine störende Einwirkung auf den Aufzeichnungsvorgang voraus. Darunter sind Eingriffe zu verstehen, die den selbstständig-fehlerfreien Funktionsablauf des aufzeichnenden Geräts in Mitleidenschaft ziehen und dadurch zu einer inhaltlichen Unrichtigkeit der Aufzeichnung führen.23 Auch in diesem Fall beeinträchtigt der Fahrzeugführer durch die Reflektoren zwar das Ergebnis der Aufzeichnung. Allerdings tut er dies gerade nicht durch einen störenden Eingriff in den Funktionsablauf des Geräts. Vielmehr resultiert die Beeinträchtigung lediglich aus einer Manipulation am Bezugsobjekt im Sinne eines „täuschenden Beschickens" und ist insoweit straflos.

E) Zur Vertiefung

  • Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte

Hemmer/Wüst, Strafrecht BT II, Rn. 138

F) Wiederholungsfragen

  1. Wie ist das Konkurrenzverhältnis zwischen § 113 StGB und § 240 StGB?
  2. Warum überzeugt es, beim Unbrauchbarmachen i.S.v. § 316b I Nr. 3

    StGB eine Einwirkung auf die Sachsubstanz zu fordern?


  1. Nach § 2 III S. 1 Nr. 2 der Verordnung über Zuständigkeiten im Ordnungswidrigkeitenrecht (ZuVOWiG) sind im Freistaat Bayern neben der Landespolizei die Städte und Gemeinden für die Verfolgung und Ahndung von Geschwindigkeitsüberschreitungen zuständig.

  2. Vgl. Schönke/Schröder, § 113 StGB, Rn. 13 m.w.N.

  3. Vgl. MüKo, § 113 StGB, Rn. 11 m.w.N.

  4. Vgl. Schönke/Schröder, § 113 StGB, Rn. 13.

  5. Vgl. Fischer, § 113 StGB, Rn. 7a m.w.N.

  6. Vgl. Fischer, § 240 StGB, Rn. 8.

  7. Sog. „Zweite-Reihe"-Rechtsprechung, vgl. BGH, Urteil v. 20.07.1995 -- 1 StR 126/95

  8. Vgl. Fischer, § 240 StGB, Rn. 19.

  9. Ausführlich hierzu Berberich/Gutowski, Life & Law 2012, 445 ff.

  10. Vgl. BGH, Urteil v. 03.03.1982 -- 2 StR 649/81 = BGHSt 31, 1, 2

  11. Vgl. OLG Stuttgart, Beschluss v. 03.03.1997 -- 2 Ss 59/97 = NStZ 1997, 342 Fischer, § 316b StGB, Rn. 5; Lackner/Kühl, § 316b StGB, Rn. 4 m.w.N.

  12. Vgl. OLG Karlsruhe, Entscheidung v. 17.08.2012 -- 2 (7) Ss 107/12 -- AK 57/12

  13. Vgl. LK, § 316b StGB, Rn. 9a.

  14. Vgl. Fischer, § 316b StGB, Rn. 1.

  15. Vgl. OLG Karlsruhe a.a.O.; LK, § 316b StGB, Rn. 29.

  16. Vgl. auch LK, § 316b StGB, Rn. 7.

  17. Vgl. Fischer, § 316b StGB, Rn. 6.

  18. Vgl. OLG Karlsruhe, Entscheidung v. 17.08.2012 -- 2 (7) Ss 107/12 -- AK 57/12

  19. Vgl. BGH, Beschluss v. 15.05.2013 -- 1 StR 469/12 OLG Celle, NStZ 2005, 217 SK, § 316b StGB, Rn. 10; Fischer, § 316b StGB, Rn. 6.

  20. Vgl. LK, § 317 StGB, Rn. 9 m.w.N.

  21. OLG Stuttgart, Beschluss v. 03.03.1997 -- 2 Ss 59/97 = NStZ 1997, 342

  22. Vgl. dazu ausführlich OLG München, NStZ 2006, 576 = Life & Law 2006, 689 ff sowie Hemmer-Klausurenkurs Strafrecht, Klausur Nr. 1537.

  23. Vgl. Schönke/Schröder, § 268 StGB, Rn. 51.