Schriftformheilungsklausel hindert den Grundstückserwerber nicht an der ordentlichen Kündigung eines formunwirksam befristeten Mietvertrags

BGH, Urteil vom 22.01.2014, XII ZR 68/10, NJW 2014, 1087 ff.

von Life and Law am 01.05.2014

+++ Geschäftsraummiete +++ Befristung auf 10 Jahre +++ Mündliche Änderung der Befristung auf 6 Jahre mit Verlängerungsoption +++ Kündigung eines unter Nichteinhaltung der Schriftform abgeschlossenen befristeten Mietvertrags +++ Hinderung durch Schriftformheilungsklausel +++ §§ 578, 550 BGB +++

Sachverhalt (verkürzt und leicht abgewandelt): V vermietete mit schriftlichem Vertrag vom September 2005 Geschäftsräume an M zum Betrieb einer Apotheke. In § 2 des Mietvertrags war eine Laufzeit von zehn Jahren vom 01.01.2006 bis 31.12.2015 vereinbart.

§ 24 des Mietvertrags enthält folgende Regelung:

1Alle Vereinbarungen, die zwischen den Parteien getroffen worden sind, sind in diesem Vertrag enthalten. 2Nachträgliche Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrags bedürfen der Schriftform. 3Den Mietvertragsparteien sind die besonderen gesetzlichen Schriftformerfordernisse der §§ 550, 126 BGB bekannt. 4Sie verpflichten sich hiermit gegenseitig, auf jederzeitiges Verlangen einer Partei alle Handlungen vorzunehmen und Erklärungen abzugeben, die erforderlich sind, um dem gesetzlichen Schriftformerfordernis Genüge zu tun, und den Mietvertrag nicht unter Berufung auf die Nichteinhaltung der gesetzlichen Schriftform vorzeitig zu kündigen. 5Dies gilt nicht nur für den Abschluss des Ursprungsvertrags/Hauptvertrags, sondern auch für Nachtrags-, Änderungs- und Ergänzungsverträge."

Im Dezember 2005 kam es zu Verhandlungen über Zusatzvereinbarungen. Unter anderem vereinbarten die Parteien mündlich, dass die in § 2 genannte Mietzeit neu für die Zeit vom 01.03.2006 bis zum 28.02.2012 auf sechs Jahre fest vereinbart werde, wobei M berechtigt sei, das Mietverhältnis dreimal um jeweils fünf Jahre zu verlängern. Die Übergabe der Mieträume an M erfolgte dann zum 01.03.2006.

Ende 2007 verkaufte V das Grundstück in notarieller Form an K, der am 31.01.2008 als neuer Eigentümer im Grundbuch eingetragen wurde.

Mit E-Mail vom 08.04.2008 erklärte K gegenüber M unter Hinweis auf die nicht eingehaltene Schriftform des Mietvertrags die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses zum 31.12.2008.

Kann K von M die Räumung und Herausgabe der Mieträume verlangen?

A) Sound

Eine sogenannte mietvertragliche Schriftformheilungsklausel hindert den Grundstücks-erwerber für sich genommen nicht, einen Mietvertrag, in den er nach § 566 I BGB eingetreten ist, unter Berufung auf einen Schriftformmangel zu kündigen, ohne zuvor von dem Mieter eine Heilung des Mangels verlangt zu haben.

B) Problemaufriss

In der vorliegenden Entscheidung befasst sich der BGH mit dem Problem der sog. Schriftformheilungsklausel bei länger befristeten Mietverträgen. § 550 BGB sieht hierfür bei der Wohnraummiete die Schriftform vor, wenn die Befristung mehr als ein Jahr beträgt.

Bei Nichteinhaltung der Schriftform ist die Befristung gem. § 125 S. 1 BGB unwirksam.

Der Verstoß gegen die in § 550 BGB geregelte Schriftform führt in Ausnahme zu § 139 BGB nicht zur Unwirksamkeit des gesamten Vertrags, sondern nur zur Unwirksamkeit der Befristung. Der Mietvertrag gilt dann gem. § 550 S. 1 BGB als auf unbestimmte Zeit geschlossen und damit ordentlich kündbar.1

Die Bedeutung des § 550 BGB für Wohnraummietverhältnisse ist relativ gering, da gemäß § 575 BGB befristete Mietverträge über Wohnraum (sog. Zeitmietverträge) nur unter strengen Voraussetzungen zulässig sind.

§ 550 BGB kommt aber über die Verweisungsnorm des § 578 II S. 1 BGB i.V.m. § 578 I BGB auch für die Geschäftsraum- bzw. die Grundstücksmiete zur Anwendung und über § 581 II BGB auch auf entsprechende Pachtverträge.

Zur Systematik des Mietrechts:

1. In den §§ 535 bis 548 BGB ist der Allgemeine Teil des Mietrechts geregelt. Diese Vorschriften kommen für alle Mietverhältnisse zur Anwendung.

2. In den §§ 549 bis 577a BGB sind die Besonderheiten des Wohnraummietvertrags geregelt.

3. In den §§ 578 ff. BGB sind Besonderheiten bei Mietverträgen über andere Gegenstände als Wohnraum geregelt.

Bei der Grundstücks- und Geschäftsraummiete verweist § 578 BGB auf die Vorschriften zur Wohnraummiete, aber eben nur teilweise.

C) Lösung

Zu prüfen ist, ob V von M die Räumung und Herausgabe der Mieträume verlangen kann.

I. Anspruch auf Rückgabe gem. § 546 I BGB

Zwischen V und M wurde laut Sachverhalt ein Mietvertrag geschlossen.

Dieser Mietvertrag war unabhängig von der Frage, ob hier die Anforderungen des § 550 BGB gewahrt wurden, wirksam, da die Einhaltung der Schriftform keine Wirksamkeitsvoraussetzung für den Mietvertrag, sondern nur für die vereinbarte Befristung von zehn Jahren ist (vgl. dazu bereits den Problemaufriss).

In dieses Mietverhältnis ist K als späterer Erwerber gem. § 566 BGB i.V.m. § 578 I, II S. 1 BGB kraft Gesetzes eingetreten.

hemmer-Methode: Die Überschrift des § 566 BGB („Kauf bricht nicht Miete") ist ein gesetzgeberischer Offenbarungseid.

Ein Kaufvertrag „bricht" niemals ein Schuldverhältnis. Ein und derselbe Gegenstand kann hundert Mal verkauft werden und jeder Kaufvertrag ist für sich genommen wirksam. Erst die Übereignung des Gegenstandes an einen der Käufer macht dem Verkäufer die Übereignung an die anderen 99 Käufer unmöglich, § 275 I BGB. Erst die Übereignung „bricht" also das Schuldrecht.

Im Mietrecht ist dies zum Schutz des Mieters nicht der Fall. In Ausnahme zur Relativität der Schuldverhältnisse tritt der Erwerber mit dem Eigentumserwerb als Vermieter kraft Gesetzes in den Mietvertrag ein.

Ein Anspruch auf Rückgabe gem. § 546 I BGB setzt daher voraus, dass die ordentliche Kündigung vom 08.04.2008 das Mietverhältnis zum 31.12.2008 beendet hat.

1. Wirksame Kündigung per E-Mail möglich?

Fraglich ist, ob die Kündigung per E-Mail wirksam war.

Gem. § 568 I BGB muss die Kündigung schriftlich erklärt werden, sodass eine Kündigung per E-Mail formnichtig ist, § 125 S. 1 BGB.

§ 568 I BGB wäre aber als Vorschrift des Wohnraummietrechts auf die Geschäftsraummiete nur anwendbar, wenn § 578 I, II BGB auf diese Vorschrift verweisen würde.

Da dies nicht der Fall ist, konnte das Geschäftsraummietverhältnis wirksam formlos gekündigt werden.

2. Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist

Die gesetzliche Kündigungsfrist bei der Geschäftsraummiete ist in § 580a II BGB geregelt. Danach ist die ordentliche Kündigung spätestens am dritten Werktag eines Kalendervierteljahres zum Ablauf des nächsten Kalendervierteljahres zulässig.

Diese Kündigungsfrist wurde von K beachtet.

3. Ausschluss der ordentlichen Kündigung aufgrund Befristung?

K konnte das Mietverhältnis gem. § 580a II BGB aber nur dann ordentlich kündigen, wenn der Mietvertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen worden wäre.

Im Fall einer wirksamen Befristung eines Mietvertrags wäre das Recht zur ordentlichen Kündigung nämlich grds. ausgeschlossen. Dies folgt im Umkehrschluss aus § 542 II BGB. Danach endet ein befristetes Mietverhältnis mit Zeitablauf, wenn es nicht verlängert (§ 542 II Nr. 2 BGB) bzw. außerordentlich gekündigt (§ 542 II Nr. 1 BGB) wird.

Eine ordentliche Kündigung ist daher gerade nicht möglich. Die Vereinbarung einer festen Laufzeit soll daher sicherstellen, dass der Vertrag vor Ende der Laufzeit nicht beendet werden kann, außer es liegt ein wichtiger Grund vor.2

a) Unwirksamkeit der Befristung aufgrund nachträglicher mündlicher Änderung der Vertragsdauer

Voraussetzung für den Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts wäre die wirksame Vereinbarung der Befristung gem. §§ 578 II S. 1, I, 550 BGB.

Mietverträge, die für längere Zeit als ein Jahr nicht in schriftlicher Form geschlossen worden sind, gelten nach § 550 S. 1 BGB aber für unbestimmte Zeit.

Ein solcher Vertrag kann gemäß § 550 S. 2 BGB nach Ablauf eines Jahres nach Überlassung des Mietobjekts mit der hierfür in § 580 a II BGB vorgesehenen Frist gekündigt werden.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist die Schriftform nur gewahrt, wenn sich die für den Abschluss des Vertrags notwendige Einigung über alle wesentlichen Vertragsbedingungen, insbesondere den Mietgegenstand, die Miete sowie die Dauer und die Parteien des Mietverhältnisses, aus einer von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde ergibt.3

Der Mietvertrag ist im vorliegenden Fall nicht (mehr) in schriftlicher Form geschlossen, nachdem V und M in Abweichung von dem Inhalt des schriftlichen Mietvertrags vom September 2005 unter anderem Änderungen hinsichtlich der Dauer des Mietverhältnisses vereinbart haben, ohne hierüber eine von beiden Vertragsparteien unterzeichnete Urkunde zu errichten.

b) Grds. kein Ausschluss des Rechts der ordentlichen Kündigung wegen § 242 BGB

Die ordentliche Kündigung, die wegen der Nichteinhaltung der Schriftform des § 550 BGB möglich ist, könnte aber gegen Treu und Glauben verstoßen.4

Grundsätzlich darf sich jede Partei darauf berufen, die für einen Vertrag vorgeschriebene Schriftform sei nicht eingehalten.

Nur ausnahmsweise, wenn die vorzeitige Beendigung des Vertrages zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führen würde, kann es gemäß § 242 BGB rechtsmissbräuchlich sein, wenn sie sich darauf beruft, der Mietvertrag sei mangels Wahrung der Schriftform ordentlich kündbar.

Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der eine Vertragspartner den anderen schuldhaft von der Einhaltung der Schriftform abgehalten oder sich sonst einer besonders schweren Treuepflichtverletzung schuldig gemacht hat oder wenn bei Formnichtigkeit die Existenz der anderen Vertragspartei bedroht wäre.5

c) Treuwidrigkeit wegen vertraglicher Verpflichtung zur Nachholung der Schriftform

Die vorzeitige ordentliche Kündigung könnte treuwidrig sein, wenn K zur Nachholung der Schriftform verpflichtet wäre.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH kann eine Mitwirkungspflicht der Vertragsparteien am Zustandekommen eines der Schriftform entsprechenden Mietvertrags bestehen. Das kann etwa der Fall sein, wenn in einem Vorvertrag vereinbart worden ist, ein langfristiges Mietverhältnis zu begründen.6 Möglich ist es etwa auch, dass sich Vertragsparteien im Hinblick auf nachträglich zustande gekommene Vereinbarungen verpflichten, insofern dafür zu sorgen, dass die Schriftform gewahrt und damit die langfristige Bindung an den Mietvertrag sichergestellt wird.7

In derartigen Fällen geht es entweder darum, den Vorgaben des Vorvertrags zu entsprechen und in Anknüpfung an die darin getroffenen Abreden einen formwirksamen Mietvertrag zu vereinbaren, oder einem konkret befürchteten Formmangel entgegenzuwirken.

d) Treuwidrigkeit der Kündigung wegen der Schriftformheilungsklausel

Eine derartige Verpflichtung könnte sich vorliegend aus der Schriftformheilungsklausel (§ 24 des Mietvertrags) ergeben.

Im Unterschied zur vorvertraglichen Verpflichtung haben die Vertragsparteien sich in § 24 S. 4 des Mietvertrags von vornherein verpflichtet, „alle Handlungen vorzunehmen und Erklärungen abzugeben, die erforderlich sind, um dem gesetzlichen Schriftformerfordernis Genüge zu tun, und den Mietvertrag nicht unter Berufung auf die Nichteinhaltung der gesetzlichen Schriftform vorzeitig zu kündigen."

aa) Meinungsstand zur Zulässigkeit einer Schriftformheilungsklausel

Ob eine derartige Schriftformheilungsklausel durch Individualvertrag rechtswirksam getroffen werden kann oder - falls es sich um einen Formularvertrag handelt - der Inhaltskontrolle am Maßstab des § 307 BGB standhält, wird in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und im Schrifttum nicht einheitlich beantwortet.

Ebenso besteht Streit über die Frage, ob eine solche Klausel - ihre Wirksamkeit unterstellt - nur eine der ursprünglichen Vertragsparteien hindern kann, den Mietvertrag unter Berufung auf einen Schriftformmangel zu kündigen, oder ob ihr auch gegenüber einem Erwerber des Grundstücks Rechtswirkung zukommt.

(1) Nach überwiegender Meinung wird davon ausgegangen, Schriftformheilungsklauseln seien wirksam mit der Folge, dass die auf den Formmangel gestützte Kündigung treuwidrig sei, solange nicht erfolglos versucht worden sei, die andere Partei zu einer Heilung des Mangels zu veranlassen.8

(2) Teilweise wird eine entsprechende Klausel vor allem im Hinblick auf einen möglichen Erwerbsfall für grundsätzlich unwirksam gehalten.9

(3) Darüber hinaus wird die Auffassung vertreten, eine Heilungsklausel sei jedenfalls gegenüber einem Grundstückserwerber unwirksam.10

(4) Das OLG Rostock hat es im Ergebnis offen gelassen, ob eine Heilungsklausel wirksam ist.

Es hält die ordentliche Kündigung eines formunwirksamen Mietvertrags nicht für treuwidrig, weil dem Kündigenden gegebenenfalls ein Schadensersatzanspruch gegen die andere Vertragspartei aus der Verletzung einer Vertragspflicht zustehe.11

bb) Wirkung auch gegenüber dem Grundstückserwerber K?

Im vorliegenden Fall wurde die Kündigung unter Berufung auf die fehlende Schriftform allerdings nicht von der ursprünglichen Vertragspartei, sondern von K als Erwerber des Grundstücks ausgesprochen.

K ist durch den Erwerb des Grundstücks gemäß §§ 578 I, II S. 1, 566 I BGB in die sich aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten eingetreten. Daher ist allein von Bedeutung, ob einem Erwerber angelastet werden kann, sich treuwidrig zu verhalten, wenn er trotz einer im Mietvertrag enthaltenen Heilungsklausel das Mietverhältnis wegen eines Schriftformmangels kündigt.

Nach Ansicht des BGH ist dies nicht der Fall.

(1) Da die Heilungsklausel vorliegend keine Einschränkung dahingehend enthält, dass sie nur im Verhältnis der ursprünglichen Vertragsparteien Geltung beanspruchen soll, würde sie im Falle ihrer Wirksamkeit auch den Grundstückserwerber K betreffen.

Auch er hätte deshalb der Verpflichtung nachzukommen, zunächst auf die Heilung des Formmangels hinzuwirken und könnte den formunwirksamen Mietvertrag erst kündigen, nachdem entsprechende Bemühungen erfolglos geblieben sind.

Damit ergäbe sich aber eine Situation, vor der § 550 BGB den Grundstückserwerber gerade schützen will.

(2) § 550 BGB will nach ständiger Rechtsprechung des BGH in erster Linie sicherstellen, dass ein späterer Grundstückserwerber, der kraft Gesetzes auf Seiten des Vermieters in ein auf mehr als ein Jahr abgeschlossenes Mietverhältnis eintritt, dessen Bedingungen aus dem schriftlichen Mietvertrag ersehen kann.

hemmer-Methode: Darüber hinaus dient § 550 BGB dazu, die Beweisbarkeit langfristiger Abreden auch zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien sicherzustellen und diese vor der unbedachten Eingehung langfristiger Bindungen zu schützen.

Hinsichtlich des Schutzes des Erwerbers gibt es zwar zahlreiche Fallgestaltungen, in denen § 550 BGB den Zweck, diesem letzte Klarheit über die Geltung eines langfristigen Mietvertrags zu verschaffen, nicht umfassend gewährleisten kann.

So kann der Grundstückserwerber z.B. im Fall einer im Mietvertrag vorgesehenen Verlängerungsoption der Mietvertragsurkunde nicht entnehmen, ob die Option vor dem Eigentumserwerb ausgeübt wurde, sodass Ungewissheit darüber bestehen kann, ob das Mietverhältnis bald endet oder gegebenenfalls noch jahrelang fortbestehen wird. In diesem Fall ist der Erwerber aber durch die aus der Urkunde ersichtliche Option hinreichend gewarnt, sodass es ihm zuzumuten ist, sich bei dem Verkäufer oder dem Vermieter hierüber zu erkundigen.12

Anmerkung: Vgl. hierzu auch die Entscheidung im hemmer-background!

(3) Auch wenn der Schutz des § 550 BGB danach nicht umfassend sein kann, soll erreicht werden, dass der Erwerber die Bedingungen, zu denen er in ein Mietverhältnis eintritt, im Grundsatz aus der Mietvertragsurkunde ersehen kann.

Er soll davor geschützt werden, sich auf einen Mietvertrag einzulassen, dessen wirtschaftliche Bedingungen sich, etwa infolge einer Mietreduzierung, anders als erwartet und deshalb finanziell einkalkuliert darstellen.

Ist das infolge formunwirksamer, z.B. nur mündlicher Abreden gleichwohl der Fall, so hat er die Möglichkeit, sich vorzeitig durch ordentliche Kündigung von dem Mietvertrag zu lösen.

Diese Möglichkeit würde ihm genommen, wenn er infolge der Heilungsklausel verpflichtet wäre, den langfristigen Bestand des Mietverhältnisses sicherzustellen.

Nach der gesetzlichen Konzeption soll dem Erwerber ein ordentliches Kündigungsrecht zustehen, um die aus der Mietvertragsurkunde nicht in allen maßgeblichen Einzelheiten erkennbaren Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis beenden zu können. Da bei einer Geltung der Heilungsklausel auch ihm gegenüber diese Möglichkeit im Falle einer vollzogenen Heilung genommen würde, würde der Schutzzweck des § 550 BGB verfehlt.

(4) Die Bestimmung des § 550 BGB stellt nach allgemeiner Meinung zwingendes Recht dar. Mit Rücksicht darauf ist es ungeachtet der Frage, ob es sich bei dem Mietvertrag um eine Individualvereinbarung oder einen Formularvertrag handelt, mit § 550 BGB nicht vereinbar, den Erwerber aufgrund einer Heilungsklausel als verpflichtet anzusehen, von einer ordentlichen Kündigung Abstand zu nehmen.

Er verhält sich deshalb nicht nach § 242 BGB treuwidrig, wenn er von der in diesem Fall vorgesehenen gesetzlichen Möglichkeit Gebrauch macht. Das gilt unabhängig davon, ob dem Erwerber im Einzelfall die Umstände, die vor seinem Eintreten in den Mietvertrag zu der Formunwirksamkeit geführt haben, bekannt waren.13 Denn wenn der Erwerber aufgrund des Schutzzwecks des § 550 BGB durch eine Heilungsklausel nicht gebunden ist, kann auch eine Kenntnis des Formmangels nicht dazu führen, dass er an dessen Heilung mitwirken müsste. Im Hinblick auf diesen Gesichtspunkt kommt eine Treuwidrigkeit der Kündigung deshalb nicht in Betracht.

(5) Die Klausel ist auf den Grundstückserwerber nur insoweit übergegangen, als sie formwidrige Vertragsänderungen betrifft, die mit diesem vereinbart worden sind.

Zur Heilung von Formverstößen aus der Zeit vor dem Eigentumsübergang ist der Erwerber nicht verpflichtet.

Anmerkung: Im Einzelfall kann es bei Kenntnis des Erwerbers von der formunwirksamen Abrede rechtsmissbräuchlich sein, wenn er sich auf den Formmangel beruft und die ordentliche Kündigung für den Mieter existenzbedrohende Folgen hat.

Im vorliegenden Fall enthält der Sachverhalt aber weder für eine etwaige Kenntnis noch für die Existenzbedrohung des Mieters durch die ordentliche Kündigung irgendwelche Hinweise.

4. Ergebnis

Der Einwand der Treuwidrigkeit aufgrund einer Schriftformheilungsklausel wirkt demnach grundsätzlich nur zwischen den Vertragsparteien, aber nicht gegenüber einem Grundstückserwerber, der gemäß § 566 BGB (i.V.m. § 578 BGB) in den Mietvertrag eintritt.

Der Erwerber kann sich deshalb grundsätzlich auch dann auf den Formmangel berufen, wenn dies dem ursprünglichen Vermieter nach § 242 BGB verwehrt wäre.

Die ordentliche Kündigung hat das Mietverhältnis daher mit Ablauf des 31.12.2008 wirksam beendet, sodass M zur Rückgabe der Räumlichkeiten gem. § 546 I BGB verpflichtet ist.

hemmer-Methode: § 546 I BGB verpflichtet den Mieter, die Mietsache zurückzugeben. Dazu muss dem Vermieter der unmittelbare Besitz eingeräumt werden. Ferner ist der Mieter auch verpflichtet, alles zu entfernen, was er in die Wohnung eingebracht hat, und alle Einrichtungen wegzunehmen, mit denen er die Mietsache versehen hat. Dies gilt auch, wenn die Einrichtung mit Zustimmung des Vermieters erfolgte.

Nach Ansicht des BGH ist damit die Rückgabepflicht erfüllt. Hat der Mieter die Mietsache im nicht ordnungsgemäßen Zustand zurückgegeben, liegt nach Ansicht des BGH keine Leistungspflichtverletzung, sondern eine gem. §§ 280 I, 241 II BGB zum Schadensersatz verpflichtende Schutzpflichtverletzung vor.14

II. Anspruch auf Herausgabe gem. § 985 BGB

Außerdem kann K als Eigentümer der Räumlichkeiten von M deren Herausgabe verlangen, da mit der wirksamen Kündigung das Besitzrecht des M (§ 986 I BGB) endete.

III. Endergebnis

K kann von M die Räumung und Herausgabe der Mieträume verlangen.

D) Kommentar

(mty). Die Entscheidung des BGH ist im Ergebnis überzeugend und zutreffend begründet worden.

Wahrscheinlich haben Sie beim Lesen der Entscheidung darauf gewartet, dass die Schriftformheilungsklausel deswegen nicht zu Lasten des K wirke, weil es sich um einen unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter handelt.

Dies wäre falsch. Gemäß § 566 BGB (hier i.V.m. § 578 BGB) tritt der Erwerber kraft Gesetzes in das Mietverhältnis ein. Damit treffen ihn kraft Gesetzes alle Pflichten, die den ursprünglichen Vermieter treffen. Es handelt sich also nicht um einen Vertrag zu Lasten des Erwerbers, sondern um einen gesetzlichen Übergang des gesamten Vertragsverhältnisses.

Die Lösung kann also nur darüber erfolgen, dass eine Verpflichtung des Erwerbers zur Mitwirkung bei der Heilung einer von ihm nicht zu verantwortenden formunwirksamen Vereinbarung mit dem Schutzzweck des § 550 BGB nicht vereinbar ist.

E) hemmer-background

Passend zu dieser Entscheidung soll im hemmer-background noch eine weitere wichtige BGH-Entscheidung zur Wahrung der Schriftform befristeter Mietverträge durch Nachtragsvereinbarungen besprochen werden.

BGH, Urteil vom 05.02.2014,  XII ZR 65/13 **

1. Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, wenn die Vertragsparteien bei der Gewerberaummiete in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbaren, dass der Vermieter im Anschluss an Nebenkostenabrechnungen die Höhe der Nebenkostenvorauszahlungen durch einseitige Erklärung anpassen darf.

2. Die Ausübung dieses Anpassungsrechts unterliegt nicht dem Schriftformerfordernis des § 550 S. 1 BGB, sodass sie nicht dazu führen kann, dass ein wirksam auf längere Zeit als ein Jahr geschlossener Mietvertrag über Gewerberaum ab der Anpassung der Vorauszahlungshöhe wegen Verstoßes gegen § 550 S. 1 BGB für unbestimmte Zeit gilt.

Sachverhalt: V vermietete mit schriftlichem Vertrag vom 30.03.2005 an M Geschäftsräume befristet auf die Dauer von zehn Jahren vom 01.01.2006 bis zum 31.12.2015.

Zur Höhe der Nebenkostenvorauszahlung bestimmt § 5 des Mietvertrags:

„Sich aus einer Nebenkostenvorauszahlung ergebende Guthaben bzw. Nachforderungen sind unverzüglich gegenseitig auszugleichen. In diesen Fällen sowie bei einer Erhöhung oder Senkung der Betriebskosten, darf seitens der Vermieterin der monatlich zu zahlende Vorschuss entsprechend neu festgesetzt werden."

Die Höhe der Nettomiete war bis 31.12.2008 festgeschrieben. Für die Zeit danach bestimmt § 7 des Mietvertrags:

„Danach ändert sich der vereinbarte Mietzins jeweils zum 01.01. in dem gleichen Ausmaß, in dem sich der vom Statistischen Bundesamt ... festgestellte Verbraucherpreisindex für Deutschland insgesamt ... nach oben oder unten geändert hat. Die Anpassung der jeweils geänderten Miete erfolgt automatisch zum 01.01. eines jeden Jahres durch schriftliche Mitteilung des Vermieters. Der Zeitpunkt der Mitteilung hat keinen Einfluss auf das Inkrafttreten der Mieterhöhung."

In der Folgezeit wurden von V sowohl die Nebenkostenvorauszahlungen als auch die Miete erhöht, ohne dass diese Erhöhungen in einer schriftlichen Nachtragsvereinbarung festgehalten wurden. Nachdem M zunächst die erhöhten Beträge bezahlte, kündigte er das Mietverhältnis ordentlich zum 30.09.2009.

Frage: Zu Recht?

Lösung: Die ordentliche Kündigung ist im Umkehrschluss aus § 542 II BGB ausgeschlossen, weil das Mietverhältnis wirksam befristet wurde.

1. Mündliche Erhöhung der Nebenkostenvorauszahlungen

1. V war in § 5 des Mietvertrags das Recht eingeräumt, die Höhe der Vorauszahlungen unter anderem dann neu festzusetzen, wenn sich aus der Nebenkostenabrechnung eine entsprechende Nachforderung ergab.

Diese Klausel entspricht sinngemäß dem nur auf Wohnraummietverhältnisse anwendbaren § 560 IV BGB. Dieser gewährt den Vertragsparteien das Recht, durch einseitige, in Textform gem. § 126b BGB abzugebende Willenserklärung eine Anpassung der Vorauszahlungshöhe zu bewirken, ohne dass es der Zustimmung der Gegenseite bedarf.15

Damit korrespondierend besteht der Regelungsgehalt der vorliegenden Vertragsklausel darin, dass V eine Anpassung der Nebenkostenvorauszahlungen durch einseitige Erklärung gegenüber M herbeiführen konnte und nicht lediglich berechtigt war, eine Zustimmung des M zur Vertragsänderung zu verlangen.

2. Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, wenn die Vertragsparteien bei der Gewerberaummiete in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbaren, dass der Vermieter im Anschluss an Nebenkostenabrechnungen die Höhe der Nebenkostenvorauszahlungen durch einseitige Erklärung anpassen darf.16

3. Die mit der einseitigen, auf Erhöhung der Nebenkostenvorauszahlung gerichteten Willenserklärung der Klägerin verbundene Änderung der von der Beklagten geschuldeten Gesamtmiete unterlag nicht dem Schriftformerfordernis des § 550 S. 1 BGB.

a) Der BGH hat bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass es eine Reihe von Fallgestaltungen gibt, in denen § 550 BGB den Zweck, einem späteren Grundstückserwerber Klarheit über die Bedingungen eines langfristigen Mietvertrags zu verschaffen, in den er kraft Gesetzes eintritt, nicht umfassend gewährleisten kann.

Dies gilt unter anderem für die einem Grundstückserwerber wichtige Kenntnis, bis zu welchem Zeitpunkt ein langfristiges Mietverhältnis besteht. Enthält die Mietvertragsurkunde eine Verlängerungsoption zu Gunsten des Mieters, kann der Grundstückserwerber der Urkunde nicht entnehmen, ob der Mieter diese Option vor dem Eigentumsübergang ausgeübt hat oder nicht. Daher kann eine Ungewissheit darüber bestehen, ob das Mietverhältnis bald enden oder gegebenenfalls noch jahrelang fortbestehen wird. Der Erwerber des Grundstücks ist aber durch die aus der Urkunde ersichtliche Verlängerungsoption hinreichend gewarnt, sodass es ihm zuzumuten ist, sich gegebenenfalls bei dem Verkäufer oder bei dem Mieter zu erkundigen.17

b) Nicht anders liegt es bei der streitgegenständlichen Klausel zur Anpassung der Nebenkostenvorauszahlungen.

Auch sie eröffnet einer Vertragspartei - dem Vermieter - in zulässiger Weise das Recht, durch eine einseitige Willenserklärung eine Vertragsänderung herbeizuführen. Sie soll eine flexible Anpassung der Vorauszahlungshöhe ermöglichen und ist daher gerade auch bei einem auf mehrere Jahre befristeten Mietvertrag sinnvoll.

Die entsprechende Erklärung kann aber, ebenso wie die Ausübung einer Verlängerungsoption, nicht Bestandteil der von § 550 BGB geforderten Vertragsurkunde sein. Dem Schutzbedürfnis eines späteren Grundstückserwerbers ist dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass ihn die entsprechende Vertragsbestimmung deutlich darauf hinweist, dass eine die Vorauszahlungshöhe gegenüber der Vertragsurkunde ändernde Festsetzung erfolgt sein kann.

2. Mündliche Erhöhung der Miete

Die auf der Grundlage der in § 7 des Mietvertrags enthaltenen Indexklausel mit Wirkung ab dem 01.01.2009 erfolgte Mieterhöhung begründet ebenfalls keinen Formmangel i.S.d. § 550 S. 1 BGB.

a) Die auf den Verbraucherpreisindex abstellende Wertsicherungsklausel ist wirksam, was sich seit dem 14. September 2007 nach dem Preisklauselgesetz richtet.18 Unabhängig davon, ob die Zulässigkeitsvoraussetzungen gemäß § 3 Ie PrKG vorliegen, fehlt es an der nach § 8 PrKG erforderlichen Feststellung der Unwirksamkeit.

b) Nach der vertraglichen Bestimmung tritt die Anpassung der Miete ab dem Jahr 2009 automatisch jeweils zum Jahresanfang ein. Die entsprechende vertragliche Vereinbarung ist bereits im ursprünglichen Mietvertrag enthalten und entspricht daher dem Schriftformerfordernis des § 550 S. 1 BGB.

Soweit die Klausel eine schriftliche Mitteilung des Vermieters vorsieht, hat diese nach der tatrichterlichen Auslegung rein deklaratorischen Charakter.

Ergebnis: Aufgrund der formwirksamen Befristung war die ordentliche Kündigung vor dem Ende der Vertragslaufzeit unzulässig.

F) Zur Vertiefung

  • Schriftform für Befristung, § 550 BGB

Hemmer/Wüst, Schuldrecht III, Rn. 4 ff.

G) Wiederholungsfragen

  1. Warum sieht § 550 BGB für eine Befristung für eine längere Zeit als ein Jahr die Schriftform vor?
  2. Hindert eine Schriftformheilungsklausel den Grundstückserwerber an der ordentlichen Kündigung eines formunwirksam befristeten Mietvertrags?

  1. Im Arbeitsrecht ist die Rechtslage nahezu identisch, §§ 14 IV, 16 TzBfG.

  2. Auch bei befristeten Dauerschuldverhältnissen ist die Vereinbarung eines ordentlichen Kündigungsrechts möglich. Im Arbeitsrecht wird diese Möglichkeit sogar ausdrücklich in § 15 III TzBfG vorgesehen, wobei aus Gründen der Waffengleichheit das Kündigungsrecht nach h.M. dann beiden Parteien zustehen muss.

  3. BGH, NJW 2014, 52 BGH, NJW 2010, 1518 BGH, NJW 2009, 2195  BGH, NJW 2008, 2178 

  4. BGH, NJW 2004, 1103 f.

  5. BGH, NJW 2007, 3202  BGH, NJW 2006, 140 

  6. BGH, NJW 2007, 1817

  7. BGH, NJW 2005, 2225, 2227

  8. OLG Naumburg, NJW 2012, 3587, 3588 OLG Düsseldorf, NZM 2005, 147 f. OLG Köln, OLGR 2005, 697, 698 OLG Hamm, NZM 2013, 760, 763 ff. KG, NJW-RR 2007, 805, 806 Lindner-Figura, NZM 2007, 705, 713; Kreikenbohm/Niederstetter, NJW 2009, 406 ff.; Schmidt-Futterer/Lammel, Mietrecht 10. Auflage, § 550 BGB, Rn. 66.

  9. Leo, NZM 2006, 815, 816; Staudinger, § 550 BGB, Rn. 45 ff.; Blank in Blank/Börstinghaus, Miete, 3. Auflage, § 550 BGB, Rn. 89.

  10. Klinke, WuM 2010, 8, 12; Timme/Hülk, NJW 2007, 3313, 3316; MüKo/Bieber, 6. Auflage, § 550 BGB, Rn. 20.

  11. OLG Rostock, NJW 2009, 445, 447 f.

  12. BGH, NJW 2008, 2178 

  13. A.A. Bub/Treier/Heile Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete 3. Aufl. II Rn. 789; Lammel in Schmidt-Futterer, Mietrecht 11. Aufl., § 550 BGB, Rn. 65.

  14. Lesen Sie dazu BGH, Life & Law 2/2014, 85 ff. = NJW 2014, 143 ff.  

  15. Vgl. MünchKomm/M. Schmid 6. Aufl., § 560 BGB, Rn. 35; Palandt/Weidenkaff, 73. Aufl., § 560 BGB, Rn. 17; BeckOK BGB/Schüller [Stand: 1. November 2013] § 560 BGB, Rn. 22.

  16. Senatsurteil vom 26. September 2012 - XII ZR 112/10 -- NJW 2013, 41, Rn. 31 vgl. auch Senatsurteil vom 9. Mai 2012 - XII ZR 79/10 -- NJW 2012, 2187 zur Klauselkontrolle eines Leistungsbestimmungsrechts des Vermieters die Änderung der Miete betreffend).

  17. Senatsurteile vom 24. Juli 2013 - XII ZR 104/12 -- NJW 2013, 3361 Rn. 25 und vom 2. Mai 2007 XII ZR 178/04 - NJW 2007, 3273 Rn. 27

  18. Vgl. § 9 PrKG; Senatsurteil vom 13. November 2013 XII ZR 142/12 - NJW 2014, 52 Rn. 24